Toxisches Arbeitsumfeld – Wie du es erkennst

Donnerstag, 08. Dezember 2022
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Lesedauer: 9 Minuten

Du kennst es vielleicht auch. Der psychische Druck und die damit verbundene emotionale Belastungen im Job machen dich richtiggehend krank! Du wirst deshalb eventuell auch als nicht leistungsstark oder nicht belastbar bezeichnet? Aber ist dir diesbezüglich auch schon mal der Begriff des toxischen Arbeitsumfeldes über den Weg gelaufen?

Der grundsätzliche Begriff toxisch ist dir sicherlich mit Blick auf private Beziehungen schon bekannt. Doch was in Bezug auf Beziehungen im Privatleben existiert, gibt es logischer Weise auch am von zahlreichen, zwischenmenschlichen Beziehungen geprägten Arbeitsplatz. Egal ob privat oder dienstlich, eine toxische Beziehung oder ein gar toxisches Umfeld können deine psychische und physische Gesundheit massiv in Mitleidenschaft bringen, ohne dass du der ausschlaggebende Faktor bist.

Du bist dir ob deines Arbeitsumfeldes unsicher, weil Stress, ein hohes Leistungspensum und Konflikte in jedem Umfeld auftreten können? Du glaubst vielleicht sogar, dass du das Problem bist? Da bin ich mit Nachdruck anderer Meinung und das ohne dich zu kennen! Denn es ist dein Arbeitsumfeld, das dich als normalerweise motivierten Mitarbeiter krank macht. Und deshalb möchte ich dir in diesem Post näherbringen, wie bzw. woran du ein toxisches Arbeitsumfeld erkennen kannst, um dich schnellstmöglich in Sicherheit zu bringen.


Das Arbeitgeberbewertungsportal Kununu hat seine anonymen Arbeitgeberbewertungen mit Stand vom 7. März 2018 ausgewertet. Die Fragestellung einer Auswertung war, welche Signalworte bei durchschnittlich besonders schlecht bewerteten Arbeitgebern überdurchschnittlich oft benutzt wurden. Nachfolgend das Ergebnis auf Basis von etwa 2 Millionen Bewertungen nach Häufigkeit absteigend sortiert:
  1. Angst / ängstlich
  2. Krankheit / krank
  3. Kontrolle / kontrollieren / Kontrollfreak
  4. Burn-Out
  5. Lügner / lügen
  6. Intrige / intrigant
  7. Schrecken / schrecklich
  8. Furcht / fürchten / furchtbar
  9. Schikane / schikanieren
  10. Schuldzuweisungen
  11. Qual / quälen
  12. Manipulator / manipulieren
  13. Sündenbock
  14. Panik / panisch
  15. Terror / terrorisieren
  16. Depression / depressiv
  17. Betrüger / betrügen
Kannst du einige dieser Signalworte deinem Empfinden nach bereits mit deinem Arbeitsplatz, mit dem Verhalten deiner Kollegen oder gar mit dem Verhalten deiner Führungskräfte in Verbindung bringen? Dann lohnt es sich für dich, die nachfolgenden Abschnitte genau zu lesen. Solltest du die Masse der Signalworte verknüpfen können, solltest du zu deiner eigenen Gesundheit direkt zum Fazit springen...


Das Ego steht im Vordergrund

Ein leicht zu erkennendes Verhalten, dass dein Arbeitsumfeld als absolut toxisch markiert, ist das auf den eigenen Vorteil ausgelegte Handeln von Kollegen oder schlimmer noch Führungskräften. Das eigene Ego steht im Vordergrund und eben nicht der Erfolg der Gruppe. Wenn es Akteure im Arbeitsumfeld gibt, deren Handeln nur auf die Bedienung des eigenen Egos ausgelegt ist, dann sind diese Akteure zunächst toxische Mitarbeiter.

Ein toxisches Arbeitsumfeld wird es für dich erst, wenn die Führungskräfte diese Mitarbeiter nicht in ihrem Handeln einfangen oder gar personelle Konsequenzen ziehen. Aussichtslos ist die Situation, wenn die Führungskräfte selbst so agieren.

Das Fatale an diesem Verhalten ist die Schädigung der Produktivität der gesamten Organisation, denn mit ihrem Verhalten geht immer eine mangelnde Kommunikation und Transparenz einher. Und das führt letztlich auch zu einer Stimmung und Kultur, die man nur als toxisch bezeichnen kann. Information als Waffe, beispielsweise durch bewusstes Zurückhalten.

In ganz schlimmen Fällen kommt dann zur Wahrung des eigenen Egos auch noch Mobbing seitens der Kollegen oder aber sogar die von Bennett J. Tepper erstmals im Jahre 2000 beschriebene Abusive Supervision (im Volksmund als Bossing bezeichnet), also das Mobbing durch die Führungskräfte hinzu. Dann versucht dein Umfeld zur Wahrung des eigenen Vorteils, dich in irgendeiner Weise stetig zu stressen, dich bloßzustellen, zu kränken oder dich schlicht zu ignorieren.


Emotionaler Druck

Häufig wird in Arbeitsumfeldern auch ein unglaublicher, emotionaler Druck ausgeübt. So wurde mir in meinem Berufsleben schon mal versucht, ein schlechtes Gewissen einzureden, weil ich es nach Ende der Probezeit tatsächlich wagte, eine Woche Urlaub zu nehmen.

Dieses aufbauen und permanente Ausüben von emotionalem Druck geschieht aber auch gerne im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Ausfällen. Statt sich des meist aufgrund des Arbeitsumfeldes entstandenen Problems anzunehmen und es gemeinsam einer Verbesserung zuzuführen, werden offenen Drohungen in Form von Sanktionen ausgesprochen.

Emotionaler Druck wird aber auch von Führungskräften ausgeübt, die Mikromanagement betrieben. Ihre ständige Bevormundung, ihr steter Kontrollwahn und das vielleicht sogar noch in Verbindung mit einem Leistungsbewertungssystem üben einen extremen emotionalen Druck auf die Mitarbeiter aus. Betroffene sagen sich häufig Ich würde ja gerne, aber man lässt mich ja nicht! Das Resultat ist häufig, dass die betroffenen Mitarbeiter keinerlei Verantwortung mehr übernehmen.

Das führt dann wiederum zu einem weiteren Schritt im Teufelskreis. In toxischen Arbeitsumfeldern wird nämlich auch vorwiegend über Verantwortung für Fehler, Strafen und Konsequenzen gesprochen. Es wird also weiterer emotionaler Druck aufgebaut, statt über die Hintergründe zu einer Verbesserung der Situation für alle Betroffenen zu kommen.

Das Ausüben von emotionalem Druck hat auch immer mit Macht zu tun. Machtdenken ist der Sargnagel für den Erfolg. Man schaue sich nur mal die Machthaber der Welt an. Die autoritären Machthaber sind alle früher oder später gescheitert! Das Prägnante daran ist, dass es in der Machtphase niemand wagt, der Führungskraft zu widersprechen. Stattdessen wird im Arbeitsumfeld beispielsweise nach Meetings im Kreise der Betroffenen gelästert.


Mangel an Wertschätzung

Wertschätzung ist das für ein nicht-toxisches Arbeitsumfeld wohl wertvollste Instrument für Erfolg. Da wundert es nicht, dass Arbeitsumfelder mit eher von Erfolglosigkeit geprägten Arbeitsergebnissen von einer Unternehmenskulturen beeinflusst sind, in der Lob und Wertschätzung Fremdwörter sind.

Häufig gibt es in solchen Arbeitsumfeldern dann viel viel Kritik und keinerlei Wertschätzung für den Mitarbeiter und das nicht mal für kleine Verbesserungsschritte. Eine vergiftete Atmosphäre ist da die logische Folge, ein toxisches Arbeitsumfeld attestiert.

Ich habe in meinem Berufsleben selbst eine Führungskraft erleben müssen, die der festen Überzeugung war, dass das Gehalt Wertschätzung genug sei und ein Kudos-System, also ein Feedback-System zur Förderung von Wertschätzung, Spielkram. Das solch eine Grundeinstellung deutlichst zu einem toxischen Arbeitsumfeld beiträgt, leuchtet (fast) Jedem ein und sollte für dich absolutes Warnsignal sein!


Andauernde Überbelastung

Absolut nicht zu unterschätzen ist auch eine nicht enden wollende Überbelastung. Diese kann aus unterschiedlichsten Gründen entstehen. So planen viele Arbeitgeber systematisch mit zu wenig Arbeitskräften oder aber sie verfügen über die Grundeinstellung, dass Arbeitskräfte immer mindestens zu 100% ausgelastet sein müssen. Phasen der Regeneration sind der vertraglich zugesicherte Urlaub. Weitsicht in Bezug auf die dauerhafte Überlastung des Gesamtsystems liegt nicht vor.

Die Präferenzen der Arbeitnehmer gehen immer stärker weg von viel Gehalt hin zu einer guten Work-Life-Balance, auch weil Arbeitnehmer in der von immer schneller strömenden Informationsflut geprägten Arbeitswelt merken, dass sie diese dauernde Überbelastung erschöpft und Krank macht. Urlaub reicht da häufig nicht mehr zur kompletten Regeneration.

Ein Arbeitsumfeld mit einer Einstellung à la Work-Life-Balance, was soll das überhaupt sein? sind in der heutigen Zeit also weit ab vom Zeitgeist und damit auch deutlichst toxisch.


Subjektive Bewertungen

Ein toxisches Arbeitsumfeld wird auch von Führungskräften geprägt, deren Mitarbeiterbewertungen auf subjektiven, von Biases und Kurzzeitgedächtnis gefütterten Eindrücken basieren.

So bleiben Underperformer unangetastet und dürfen unproduktiv weitermachen, weil sie der Führungskraft so schön nach dem Munde reden, ihm buchstäblich bis zu den Schultern im Allerwertesten stecken.

Nachweislich befähigten Mitarbeitern wird aber die Förderung verwehrt, weil sie aufgrund ihrer Befähigung Fehlverhalten und -entscheidungen zur Generierung von Learnings diskutieren wollen. Diese Mitarbeiter sind in der Wahrnehmung der Führungskraft vielleicht sogar eine Bedrohung für die eigene Macht und werden somit als unbequem und Gefahr wahrgenommen, auf das Abstellgleis gestellt (Silent Firing).

Förderung erfahren nur die, die der Führungskraft in der Wahrnehmung dieser so schön gleichen (Thomas-Effekt).


Psychologische Unsicherheit

Sicherheit ist nach Maslow das zweitgrößte Bedürfnis eines jeden Menschen und in Bezug auf die Frage, ob man sich in einem toxischen Arbeitsumfeld befindet oder eben nicht, entscheidend!

Ein Arbeitsumfeld, in dem dieses Grundbedürfnis nach psychologischer Sicherheit nicht existiert oder es sogar durch die hier bisher genannten Punkte gewissermaßen aktiv unterbunden wird, ist zweifellos toxisch.


Fazit

Wir alle, auch du, haben jeden Tag die Wahl, weiterzumachen wie bisher oder aber Dinge zu verändern. Wie heißt es im Volksmund so schön Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!

Im Zusammenhang mit einem toxischen Arbeitsumfeld gilt dies aufgrund der extremen Auswirkungen wie Burn-Out, Depression, psychosomatische Krankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ... für dich in besonderem Maße, denn hier steht neben der eigenen Arbeitskraft nicht weniger als die eigene Gesundheit auf dem Spiel!

Halte dir dabei auch stets vor Augen, dass es ein toxisches Arbeitsumfeld auch nicht sonderlich tangieren wird, wenn diese Folgen eintreten, denn sie treten ja für dich ein und du bist ersetzbar! Lohnt sich dein Einsatz in diesem toxischen Arbeitsumfeld?

Du bist nur dir selbst verpflichtet und bei allem Anderen hast du eine Wahl. Diese Wahl ist angesichts des sich weiter forcierenden Fachkräftemangels mannigfaltig. Du brauchst „nur“ Selbstwertgefühl und letztlich Mut zur Eigeninitiative.


Ich hoffe dir damit einen gewissen Einblick in toxische Arbeitsumfelder gegeben zu haben. Vielleicht fühlst du dich jetzt in der Lage, deine unterschwellige Unzufriedenheit mit deinem Arbeitsumfeld mit Fakten zu versehen? Falls du mir deine Erfahrungen mit einem toxischen Arbeitsumfeld teilen magst oder du mir zu diesem Post Feedback geben möchtest, würde ich mich darüber sehr freuen!


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