The Line - 4 Gründe zum Gucken

Dienstag, 14. Dezember 2021
Serie Kino S3 • E8
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Lesedauer: 6 Minuten

Als ehemaliger Offizier der Bundeswehr sind für mich die Rules of Engagement, also die Einsatzregeln eines Kampfeinsatzes, immer die linke und rechte Grenze meines Handlungsraumes gewesen, in dem ich als Führungskraft legal militärische Mittel mit meinen Kräften einsetzen durfte.

Diesen Rules of Engagement liegt immer der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu Grunde und sie beinhalten allgemeine Verbote und Gebote, die dem Völkerrecht folgen. Eine der allgemein wohl sehr bekannten Regeln ist, das Kriegsgefangene einen Anspruch auf eine humane Behandlung sowie ausreichende Verpflegung haben.

Und obwohl diese ja auch auf Erfahrungen des zweiten Weltkrieges basieren und man denken sollte, dass gerade militärisch überlegene Streitkräfte überhaupt keinen Grund haben, sich nicht an diese Regeln zu halten, so gibt es meines Wissens nach trotzdem kaum einen militärischen Konflikt in der Vergangenheit, in dem es nicht auch auf Seiten der überlegenen Streitmacht zu Verstößen des Völkerrechts kam. Aber was hat das nun mit der Reality-Dokumentation The Line zu tun?

The Line, ist eine Reality-Dokumentation auf Apple TV+ über besondere Vorkommnisse im Einsatz des Alpha-Zuges vom SEAL Team 7 der US Navy während der Befreiung der letzten ISIS-Bastion, der nordirakischen Stadt Mossul. Was diese Reality-Dokumentation nun mit den genannten Einsatzregeln, also dieser moralischen Linie zu tun hat und warum diese Dokumentation auch für militärisch eigentlich uninteressierte Zuschauer interessant ist, das möchte ich dir in diesem Spoiler-freien Post näher bringen.

Die Reality-Dokumentation The Line ist in vier Teile von jeweils etwa 50 Minuten untergliedert. Im ersten Teil werden die Protagonisten rund um den hochdekorierten und Einsatz-erfahrenen Chief Petty Officer Eddie Gallagher vorgestellt. Er ist aufgrund seines Daseins als der Dienstgrad-höchste Unteroffizier des Alpha Zuges quasi in besonderem Maße aufgefordert, die Einhaltung der Rules of Engagement vorzuleben und durchzusetzen.

Im zweiten Teil der Dokumentation wird der Zuschauer dann in den Einsatz des Alpha-Zuges im Zuge der Befreiung Mossuls mitgenommen und die eigentliche Geschichte dieser Reality-Dokumentation wird aufgebaut. Aufgrund des bisherigen Inhalts dieses Posts, ist dir wahrscheinlich auch schon klar, dass es zu einem kriegsvölkerrechtlich fraglichen Zwischenfall gekommen sein musste.

Genau darum geht es nun in den verbleibenden zwei Teilen. Dabei wird im dritten Teil der Weg zu einem Militärprozess gezeigt, der international erstaunlicher Weise fast keine Aufmerksamkeit bekam, in den gesellschaftlich gespaltenen USA aber für einigen Wind sorgte, weil quasi die Büchse der Pandora geöffnet wurde.

Mit dem Ende des dritten Teils wird dann die Brücke zum vierten und letzten Teil der Serie geschlagen, in dem der Prozess sein Ende findet und es letztlich noch zu einer Art Abschlussbetrachtung kommt.

Soweit, so gut. Aber wodurch wird diese Reality-Dokumentation nun zu einem Tipp von mir?


Interessante Einblicke in Einsatzdetails

Mein erster, für die meisten vielleicht nicht zwingend gültiger Grund zum Gucken dieser Dokumentation ist die Tatsache, dass die Dokumentation unheimlich gute und vor allem realistische Einblicke in den Einsatz der militärischen Kräfte bietet. Es ist extrem viel mit Actioncams von den Protagonisten selbst aufgenommenes Bildmaterial in die Dokumentation eingeflossen.

Wie lebt oder haust man in so einem Einsatz? Wie wird vorgegangen? Wer trifft welche Entscheidungen und wie werden diese umgesetzt. Aufgrund des Actioncam-Materials gibt es dabei zum Teil mehr zu sehen, als der eine oder andere eventuell verträgt! Die Dokumentation ist ab 16 freigegeben. Ich hab an einigen Stellen gedacht, es sollte doch besser erst ab 18 freigegeben sein.


Interessante Einblicke in die moralische Zerrissenheit im Einsatz

Im Krieg verschwimmt die klare Linie der Rules of Engagement häufig. Meist befeuert durch absolut schreckliche Erlebnisse kommt es zu einer zunehmenden Verrohung und damit wird aus einer klaren moralischen Linie immer mehr eine Grauzone, die sich im schlimmsten Falle, nämlich bei Verantwortungslosigkeit der als Kontrollinstanzen eingesetzten Führungsebenen, schnell in eine widerwärtige und absolut unakzeptable Richtung bewegt.

Eine allseits bekannte Redewendung lautet Der Zweck heiligt alle Mittel. Genauer formuliert lautet diese Für einen guten Zweck sind alle Mittel erlaubt. Dem ist natürlich nicht so, gerade wenn die Bewertung eines Zwecks in stark beeinflussten und beeinträchtigten Händen liegt.

Was wenn einige Beteiligte die Zwecke und Mittel auf Basis der Rules of Engagement nun als falsch ansehen und eine Meldung möglicher Vergehen als Verrat von Kameradschaft verstanden wird, sowie zum Verlust von Anerkennung, Status und sogar des Jobs führen könnten? Was wenn man durch korrektes und eigentlich gefordertes Handeln alles verliert, was den Sinn, das Why eines Menschen ausmacht?

Genau diese innere Zerrissenheit zeigt diese Serie unheimlich gut auf und ist dabei immer sehr bemüht durch Darstellung aller beteiligten Parteien ein ausgewogenes Bild zu erzeugen.


Interessante Einblicke in die amerikanische Judikative

Die Dokumentation zeigt auch noch mal einen tiefen und für jeden rechtschaffenden, mitteleuropäischen Bürger unerträglichen Einblick in die amerikanische Judikative, in der Immunitäten und die Tatsache, dass gesprochenes Recht nicht in Frage gestellt werden kann, zu unglaublichen Prozesstaktiken führt.

Wenn dann ein solcher Prozess auch noch von der Politik beeinflusst wird, sorgte das zumindest in meinem Falle für einen sehr guten Grund, sich diese Dokumentation anzuschauen, die unterschwellig nicht amerikanischer und patriotischer hätte sein können. Es gibt schon Gründe, warum wir eine Gewaltenteilung pflegen...


Unglaubliche Wendungen

Womit diese Dokumentation auch auffährt, ist eine unglaubliche Aufreihung von Wendungen. Immer wenn man denkt, jetzt weiß man, wo der Hase hinläuft, schlägt die Story wieder einen plötzlichen und damit unerwarteten Haken.

Ich persönlich liebe solche Brainfuck Filme wie beispielsweise Tenet oder eben diese Dokumentarserie, weil es genau das ist, was Spannung und damit ein nicht abnehmen wollendes Interesse am Fortgang der Geschichte erzeugt. Unter Umständen lädt genau das auch zum mehrmaligen Betrachten der Serie ein, denn man kann beim zweiten Schauen schon direkt Dinge anders, eben realistisch sehen. Man erlebt die Story mit anderen Blickwinkeln nochmal...


Absolut schockierend

Last but not least haben die Geschehnisse und die bereits erwähnten, zahlreichen Wendungen nicht nur mich absolut schockiert zurückgelassen, sondern auch einige der Protagonisten. Es ist schier unglaublich, wenn Prozessordnung, Prozesstaktik, Lügen, Fehler und politische Einflussnahme zu dem am Ende der Serie stehenden Ergebnis führen.

Auch wenn ich als ehemaliger Soldat das Betreten einer Grauzone unter gewissen Voraussetzungen nachvollziehen kann, so kann ich diese als ehemaliger Offizier, wie jeder normal denkende Mensch absolut nicht tollerieren! Ich war zu tiefst angewidert und sehe Vorgänge im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die ich in der Vergangenheit bereits kritisch sah, nun noch mal deutlich desillusionierter als je zuvor!


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Für mich sind das insgesamt vier gute Gründe, dass man sich auch als Nicht-Soldat diese 223 Minuten anschauen sollte.

Für einen Soldaten, aktiv oder inaktiv, ist diese Serie aus meiner Sicht aber absolutes Pflichtprogramm. Meiner Meinung nach sollte man diese Serie allen Soldaten in der Grundausbildung und im weiteren Verlauf einer etwaigen Unteroffiziers- oder Offiziersausbildung zeigen. Das aber nicht unkommentiert und mit einem ausgewogenen Maß an rechtlicher Begleitung!

Hast du die Serie schon gesehen? Was denkst du über die Geschehnisse und den Outcome im Finale der vierten Folge? Gibt es für dich weitere Gründe, diese Reality-Dokumentation zu gucken? Wie immer würde ich mich über Beiträge von dir und dein Feedback zu diesem Post sehr freuen.


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