Selbstbewusst trotz Inkompetenz

Donnerstag, 25. März 2021
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Lesedauer: 4 Minuten

Kennt ihr das, ihr steht im Berufsleben oder schlimmer noch im Privatleben einer extrem selbstbewusst auftretenden Person gegenüber, könnt aber beim besten Willen und absolut objektiv keinen Grund für diese außerordentlich hohe Ausprägung an Selbstbewusstsein ausmachen? Ganz im Gegenteil, ihr seht ganz objektiv eine Vielzahl an Mängeln in Verhalten und Tun, so dass man bei dieser Person durchaus auch schon von Inkompetenz reden müsste!

Ich kenne das sowohl im Berufs- als auch Privatleben nur zu gut, dass eine Person mit einem auffällig ausgeprägten Selbstbewusstsein auftritt und keiner objektiv versteht, warum?! Aber was steckt bei dieser sich objektiv selbst überschätzenden Person hinter dieser Selbstsicherheit? Gibt es für dieses Verhalten einen Fachbegriff? Was sind gute, öffentlich bekannte Beispiele und neigen wir nicht alle ein wenig zu einer Art Selbstüberschätzung? Darauf und was man im Umgang mit solchen Menschen zur Verbesserung machen könnte, möchte ich in diesem zumindest mal für alle Personalverantwortlichen sehr interessanten Post eingehen.


Was führt zu unberechtigtem selbstsicheren Auftreten?

Ich weiß, dass ich nichts weiß! sagte schon der griechische Philosoph Sokrates und wenn wir mal ehrlich sind, dann hatte er uns allen mit dieser Erkenntnis extrem viel voraus und das schon vor mehr als 2400 Jahren!

Und genau in dem Wort Erkenntnis liegt des Pudels Kern. Diesen Personen fehlt die Fähigkeit und Fertigkeit zur ausgewogenen Selbstwahrnehmung, ansonsten kämen sie selbständig auf ihre mangelnde fachliche oder gar soziale Kompetenz.

Ferner weisen die betroffenen Menschen häufig auch noch ein sehr ausgeprägtes Maß an Ignoranz auf. Diese Kombination ist für das Erkennen sogenannter blinder Flecken und die liegen hier definitiv vor, natürlich pures Gift, denn wie beim Alkoholiker braucht es eine gewisse Einsicht, um mittels aktiver, externer Hilfe diese blinden Flecken für sich zu erschließen und das Problem zu beheben.

Diesen Teufelskreis der Inkompetenz beschrieben die US-Psychologen David Dunning und Justin Kruger etwa zur Jahrtausendwende. Sie beobachteten, dass Experiment-Teilnehmer bei Tests besonders schlecht abschnitten, wenn sie im Vorwege ihren Lernfortschritt und damit ihre Kompetenz sehr positiv einschätzten.

Daraus enstand der nach den beiden Forschern benannte Dunning-Kruger-Effekt, der sich vierstufig darstellt.
  1. Inkompetente Menschen überschätzen oft ihre eigenen Fähigkeiten.
  2. Sie sind unfähig, das Ausmaß ihrer Inkompetenz zu erkennen.
  3. Bedingt durch ihre Ignoranz bauen sie ihre Kompetenz nicht aus.
  4. Dadurch unterschätzen sie die überlegenen Fähigkeiten anderen Menschen.
Die beiden Psychologen klammerten in ihrer Formulierung zum Dunning-Kruger-Effekt den Begriff Intelligenz bewusst aus. Demnach sind Menschen, die sich selbst überschätzen, also nicht zwangsläufig weniger intelligent! Diesen Menschen fehlt lediglich die für das jeweilige Fach nötige Kompetenz.


Was sind Beispiele für unberechtigt selbstsichere Menschen?

Ein Beispiel für den Dunning-Kruger-Effekt, dass vielen von euch spontan einfallen dürfte, ist wohl der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Unvergessen die Corona-Pressekonferenz aus dem April letzten Jahres, in der er Forscher dazu aufrief, den intravenösen Einsatz von Desinfektionsmittel oder aber den Einsatz von ultraviolettem Licht im Körper als Therapiemaßnahmen gegen SARS-CoV-2 zu prüfen. Forscher nutzten dieses Beispiel jedenfalls, um darauf hinzuweisen, dass der Dunning-Kruger-Effekt sogar in den obersten Führungsetagen zu beobachten sei.

Aber steckt nicht in jedem von uns mittlerweile ein kleiner Virologe? Neigen wir da nicht alle zur Selbstüberschätzung? Auch die Tatsache, dass wir pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft oder -Weltmeisterschaft zum Bundestrainer mutieren, sehe ich zwar als korrekte aber nicht brauchbare Beispiele an. Das sind Stammtisch-Situationen und mit solchen möchte ich das Berufsleben beispielsweise möglichst nicht vergleichen.

Ein krasses und irgendwie witziges Beispiel ist ein Banküberfall aus dem Jahre 1995, bei dem sich der Bankräuber McArthur Wheeler darüber wunderte, dass er noch am selben Tag als der Bankräuber erkannt und verhaftet wurde. Er hatte sich sein Gesicht doch mit Zitronensaft eingerieben, der ja bekanntlich auch als unsichtbare Zaubertinte Verwendung findet. Damit sollte sein Gesicht auf Videoaufnahmen doch unsichtbar sein, oder?


Wie kann ich unberechtigt selbstsicher auftretenden Menschen helfen?

Aber wie geht man nun im Berufs- oder Privatleben mit solchen, ansonsten ja sicherlich liebenswerten Menschen um?

Nun, in jedem Fall brauchen diese Menschen ehrliches Feedback und das am Besten von mehreren Personen aus dem betroffenen Umfeld. Nur so wird diese Person auf ihren blinden Fleck aufmerksam und kann durch Weiterbildung beginnen, ihre Wissenslücken zu schließen.

Das kann allerdings auch ganz mächtig nach hinten losgehen! Und das kann passieren, wenn das Feedback nicht vorsichtig genug formuliert wurde und es somit nicht zu einer Art Einsicht führt. Denn dann setzt wahrscheinlich kognitive Dissonanz ein. Dabei handelt es sich um Reaktionen wie Wut, Trotz und andere Arten der Abwehrhaltung.

Leider dreht sich der Teufelskreis der Inkompetenz dann wieder, der Dunning-Kruger-Effekt setzt vielleicht sogar stärker als vorher ein, weil sich der inkompetente Feedback-Empfänger dann womöglich noch als verkapptes Genie fühlt...

Also, Vorsicht walten lassen, sich mit viel Feingefühl Schritt für Schritt an des Pudels Kern nähern und vielleicht auch noch mal einen Blick auf Themen wie selektive Wahrnehmung oder das sogenannte Dryfuss-Modell mit seinen fünf Stufen der Kompetenzentwicklung werfen...



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