Menschenmassen
Mittwoch, 11. November 2020



Quelle: Foto von Irina Marie auf Unsplash
Lesedauer: 5 Minuten
Könnt ihr euch vorstellen, dass etwas irgendwie schon ziemlich Krankes und unter Umständen sogar Todbringendes durch etwas anderes Krankes und unter Umständen auch ziemlich Todbringendes unterbunden wird und das dann nicht mal direkt, sondern auf Umwegen?Nein? Also in diesem, von mir nun gleich geschilderten Falle hätte ich das so auch nicht vermutet! Trotzdem habe ich diese Woche meinen Augen nicht glauben wollen und all das hat irgendwie mit diesem ganz unscheinbar und klein aussehenden Leuchtturm zu tun! Na, hat der Erste schon eine Idee?
Ich will euch nicht auf die Folter spannen. Von daher... Bei diesem schönen, kleinen Leuchtturm handelt es sich um das Leuchtfeuer, das auf dem Forte de São Miguel Arcanjo montiert wurde. Das wird auch nur den absoluten Freaks unter euch was sagen.
Dieses Fort steht auf einer, einige dutzend Meter ins Meer ragenden, etwa 50 Meter hohen Felszunge an der Praia de Norte und das ist einer der Strände des alten, verträumten Fischerdorfes Nazaré an der portugiesischen Atlantikküste.
Jetzt klingelt es bestimmt bei dem einen oder anderen von euch. Nazaré? Da hab ich doch gerade im Sportteil der Nachrichten was gesehen? Und denjenigen unter euch kann ich nur sagen, ihr seid verdammt nah dran.
Nazaré ist der Spot schlecht hin in der Welt, um die größten, surfbaren Wellen der Welt reiten zu können. In jedem Herbst und Winter ist dies nicht nur eine garantierte Station der Big Wave World Tour der World Surf League und damit der absoluten Elite dieser – positiv gemeint – total irren Wellenreiter in der Gruppe der Big Wave Surfer. Nein, es war bisher auch ein Anziehungspunkt für einige Wenige, die diese mörderischen Versuche und vor allem diese unglaublich hohen Wellen zu sehen bekommen wollten.
Schon um den 25. Oktober herum, gab es die ersten Prognosen, dass der keinen Landfall machende Hurrikan Epsilon eine Jahrhundert-Dünung an den Surf Spots der Atlantikküste erzeugen könne. Die Teilnehmer der Big Wave World Tour machten sich also, sofern nicht eh schon vor Ort, auf den Weg nach Nazaré.
Am 26.10.2020 begann dann das Warm-Up für die Surf-Teams, denn in die Wellen von Nazaré würde man sich ohne Team wohl nur ein einziges Mal begeben. Für diese Monsterwellen sind Jetskis nötig und das im doppelten Sinne. Denn ohne die Jetskis, die die Surfer in die entstehenden, sich aufbäumenden Wellen ziehen, wären die Surfer initial viel zu langsam und würden direkt ein fürcherlichen Waschgang erleben, vielleicht sogar überleben.
Und genau deshalb ist da natürlich noch der Sicherheitsaspekt! Denn selbst wenn die Welle soweit erfolgreich geritten wurde, ist die Brandung im wahrsten Sinne des Wortes immer noch haushoch. Und da die Wellen bestenfalls, also wenn besonders viel Zeit zwischen ihnen liegt, in einem 20 Sekunden-Rhythmus brechen, will man da natürlich schnellst möglich wieder raus und auch dabei helfen die Jetskis. Die Person auf dem Jetski ist also nicht nur Helfer, sondern auch sowas wie eine Lebensversicherung die Mutigen.

Quelle: Foto von Irina Marie auf Unsplash
Der Höhenwert wird nach einer wissenschaftlichen Berechnung sicher noch ein wenig runter gehen. Bei einem aktuellen Rekord von 24,34 Metern, seit November 2017 gehalten vom Brasilianer Rodrigo Koxa, besteht aber ja noch ein Puffer im Verhältnis eines Satteldach-Bungalows...!
Erfahren werden wir dies am Ende der diesjährigen Big Wave World Tour, wenn unter anderem auch der mit 75.000 USD dotierte Sonderpreis XXL Biggest Wave vergeben wird.
Damit wisst ihr jetzt schon mal, was ich mit etwas irgendwie schon ziemlich Krankem und unter Umständen sogar Todbringendem meinte. Und durch welches etwas andere Kranke und unter Umständen auch ziemlich Todbringende wurde dies nun unterbunden?
Naja, aktuell ist ein Tipp wie Corona bzw. Covid-19 ja schon mal so was wie ein Erfolgsgarant. So ist es auch in diesem Falle! Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr nie die Hintergründe raten würdet. Denn wie ich eingangs schon schrieb, wurde dieses Mega-Event ja nur auf Umwegen und damit indirekt durch Corona gestoppt.
Ich finde es wirklich unglaublich und irgendwie auch traurig aber Nazaré ist außerhalb der Surfspotter-Community kein Geheimtipp mehr! Dank vieler Influencer auf YouTube und Instagram ist Nazaré mittlerweile ziemlich Mainstream, leider.
Und so waren offiziellen Schätzungen zur Folge am Rekordtag etwa 15.000 Zuschauer vor Ort und drängten sich dicht auf dicht auf der Felszunge des Forte de São Miguel Arcanjo und an der Praia de Norte. Nic von Rupp, ein portugiesischer Teilnehmer der Big Wave World Tour, schilderte seinen Eindruck der Menschenmengen so, dass er sich wie in einem ausverkauftem Fußballstadion einer Profiliga gefühlt habe...

Quelle: Foto von Luis Ascenso from Lisbon, Portugal. CC BY 2.0
Aber wow, ich meine 15.000 Zuschauer wegen 10 Big Wave Surfern!! Der Wahnsinn oder?
Angeblich verhandelt man aktuell mit den örtlichen Behörden darüber, nur die Zuschauer zu verbannen und das Tow-In Surfing wieder zu erlauben. Erscheint mir aber irgendwie auch egal, denn die Wahrscheinlichkeit, dass solch eine Jahrhundert-Dünung in dieser Saison abermals auf Portugal zurollt, ist eher als gering zu bezeichnen.
Jetzt bleibt den Big Wave Surfing Fans noch das Big Wave Surf Event an der als Jaws bezeichneten Dünung von Pe'ahi auf Maui (Hawaii), das dann bei entsprechend hoher Dünung und Corona-Lage vielleicht im ersten Quartal 2021 stattfinden wird... Bleibt zu hoffen, dass dort vergleichbare Menschenmassen ausbleiben, um so das Surf-Event, auf das viele Teilnehmer hinfiebern, dann auch stattfinden zu lassen. Anders als jetzt in Nazaré...
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