Durch Erwartungshaltung zum Erfolg
Donnerstag, 03. Juni 2021
Business S2 • E4
Escheburg
Lesedauer: 7 Minuten
Ist dir auch schon mal aufgefallen, dass manche Menschen in den Augen wichtiger anderer Menschen eine Wertschätzung, Fürsorge und Unterstützung erhalten, die Außenstehende zunächst kaum objektiv nachvollziehen können.Über die Zeit ändert sich aber die objektive Einschätzung und aus ihnen werden Menschen, die die Wertschätzung, Fürsorge und Unterstützung gar nicht mehr brauchen, weil sie sich massiv verbessert haben.
Aber funktioniert das so wirklich? Und wenn es wirklich funktioniert, warum? Und wenn es dann wirklich funktioniert und man die Hintergründe verstanden hat, kann man das dann nicht im Privaten oder auch im Beruflichen positiv nutzen? Und wenn ja, wie?
Es gibt viele psychologische Effekte, die erforscht wurden und nun – in Zeiten der immer hilfloser werdenden Eltern im Privaten und Führungskräfte im Beruflichen – ihren Weg ins Augenmerk der entsprechend interessierten Betroffenen finden. Einer dieser psychologischen Effekte ist der Pygmalion-Effekt, der eine Metamorphose hin zum Erfolg beschreibt, der durch Erwartungshaltung getrieben wird. Wer oder was Pygmalion ist, was der Pygmalion-Effekt ist und wie dieser entdeckt wurde, genauso wie die Frage der eigenen Nutzung des Effekts im Privaten oder Beruflichen, das möchte ich hier in diesem Post gerne mit dir erkunden.
Wer oder was ist Pygmalion?
Pygmalion ist eine sehr interessante Figur aus der alt-griechischen Mythologie. Genauer gesagt aus Ovids Geschichte Metamorphose. Pygmalion war darin ein armer Bildhauer, der sich nach gescheiterten Beziehung von den Frauen abwandte und sich ganz der Bildhauerei hingab.Dabei erschuf er aus Elfenbein eine bildhübsche und fast schon lebendig wirkende Frauenfigur, in die er sich unsterblich verliebte. Die Götter waren nun von seiner der Figur entgegengebrachten Liebe und seiner Entschlossenheit, diese lebendig werden zu lassen, derart begeistert, dass sie diese Figur lebendig werden ließen.
Aber was hat dieser Bildhauer mit seiner Geschichte nun mit Erwartungshaltung und Erfolg zu tun?
Was ist der Pygmalion-Effekt?
Der Pygmalion-Effekt ist ein psychologischer Effekt, bei dem sich die Leistung einer Person so entwickelt, wie sie von der bewertenden Person im Vorwege eingeschätzt wurde. Er beschreibt also, wie sich die Erwartungshaltung einer Person auf das Verhalten der anderen Person(en) auswirkt.Eine der wohl bekanntesten Darstellungen des Pygmalion-Effekts sollte wohl der uns allen zur Weihnachtszeit zur Familientradition gewordene Film Der kleine Lord sein. In diesem Film gelingt es einem kleinen Jungen sehr anschaulich, durch seine unverbesserliche Erwartungshaltung über seinen ihm eigentlich völlig unbekannten Opa, aus einem unfreundlichen, verbitterten Aristokraten einen liebevollen, fürsorglichen und gönnerischen Menschen zu machen.
Wie wurde der Pygmalion-Effekt entdeckt?
Der Pygmalion-Effekt wurde 1965 erstmals von den Psychologen Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobsen als Ergebnis eines größeren Experiments mit Lehrern und Schülern einer US-amerikanischen Grundschule beschrieben.In diesem Experiment wurden die Schüler einem wissenschaftlichen Test unterzogen, dessen Ergebnis eine Einschätzung der jeweiligen Leistungspotenziale war. Die Ergebnisse wurden ausgewertet und den Lehrern wurden die sogenannten Aufblüher (Bloomers) und die sogenannten Sprinter (Spurters) mitgeteilt, also die Kinder mit einem besonderen Leistungssteigerungspotenzial.
Acht Monate nach den ersten wissenschaftlichen Tests wurden dann Kontrolltests durchgeführt, bei denen die Aufblüher und Sprinter deutlich bessere Ergebnisse erzielten, als die nicht entsprechend im Vorwege eingestuften Kinder.
Jetzt werdet ihr sagen Ja ist doch völlig normal. Die Kinder hatten doch auch das höchste Steigerungspotential. Nee. Hatten sie eben nicht!
Die wissenschaftlichen Tests waren echte IQ-Tests. Soweit, so gut. Die den Lehrern als Aufblüher oder Sprinter mitgeteilten Kinder waren von den Wissenschaftlern aber per Zufall ausgelost worden! Ist das geil?
Und weil sowohl für die speziell gemarkten Kinder als auch für die nicht gemarkten Kinder das Umfeld absolut gleich war, konnten nur die Lehrer, also die, die als einzige die Erwartungshaltung bezüglich der kindlichen Entwicklungspotenziale kannten, einen Einfluss auf das Ergebnis gehabt haben. Aber wie?
Wie funktioniert der Pygmalion-Effekt?
Nun, die Lehrer haben von den Aufblühern und Sprintern eine gute Entwicklung erwartet. Dadurch haben sie diese Kinder manchmal bewusst aber meistens unbewusst gefördert und ermutigt. Sie haben bei diesen Kindern bestimmt auch öfter mal ein Auge zugedrückt und Neune gerade sein lassen. Sie haben bei Misserfolgen stets die zu erwartende positive Entwicklung vor Augen gehabt.Man merkt also, dass der Effekt erwartungsgetrieben ist und durch das Unconscious Bias unterstützt wird. D.h. unsere Erwartungen an einen Menschen verändern, wie wir ihn behandeln und diese Art der Behandlung verändert langfristig sein Verhalten und damit seinen Erfolg.
Ein Mensch verhält sich letztlich also genauso, wie wir es von ihm erwarten! Krass oder?
Welche Folgerungen ergeben sich aus dem Pygmalion-Effekt für das familiäre Umfeld?
Im Elternhaus hat der Pygmalion-Effekt wahrscheinlich seinen größten und langwierigsten Effekt. So weiß ich aus eigener Erfahrung, wie die elterliche Erwartungshaltung sich auf Leistungspotenziale positiv oder eben auch negativ auswirken kann.Sind Eltern davon überzeugt, dass ihre Kinder die notwendigen Fähigkeiten für erfolgreiche Bildungswege und das Leben an sich mitbringen, dann werden sie zwar nur mit geringer Wahrscheinlichkeit ein Kind zu einem elitären Erwachsenen erziehen. Mit Sicherheit werden sie aber ein Kind zu einem mit guter Selbstwahrnehmung und -einschätzung versehenen Erwachsenen erziehen, der das Beste aus sich und seinem Potenzial herausholt.
Welche Folgerungen ergeben sich aus dem Pygmalion-Effekt für Führungskräfte und damit das berufliche Umfeld?
Wie für Eltern, so ist der Pygmalion-Effekt natürlich auch für Führungskräfte im beruflichen Umfeld nutzbar. So wird ein Chef, der sich ein lösungsorientiertes Team wünscht, auch ein solches Team bekommen, so er seine Erwartungshaltung durch überzeugende Zielvorgaben bekannt macht.Wird eine Führungskraft eine spezielle Arbeitskultur – beispielsweise eine gesunde Fehlerkultur – fördern, so wird die Anzahl an gemachten Fehlern langfristig aufgrund erzielter Learnings sinken und als Nebeneffekt die Innovationsfähigkeit extrem steigen. Die Buchstabenbedeutung des Wortes Fail lautet nicht grundlos...
First
Attempt
In
Learning
… also erster Lernversuch!
Wird eine Führungskraft realistische und annehmbare Anforderungen stellen, so werden sich die Mitarbeiter stärker mit ihrer Aufgabe identifizieren können, was sich wiederum absolut positiv auf den Outcome ihrer Arbeit auswirkt.
Unterm Strich kann man sagen, eine Führungskraft, die positive Erwartungen an seine Mitarbeiter hat, wird von diesen nicht nur mit schnellerem Lernen und besserem Outcome belohnt, sondern sicher auch mit weniger personeller Fluktuation, besserer Arbeitsstimmung und last but not least mehr zugelassener Nähe und Akzeptanz belohnt.
Jetzt geht es im Pygamlion-Effekt um einen durch Erwartungshaltung einer Person ausgelösten Effekt auf die Leistungsfähigkeit eines anderen Menschen. Es gibt aber auch noch den Galatea-Effekt und den Golem-Effekt als Treiber für oder Zerstörer von Erfolg. Damit beschäftige ich mich dann aber in einem weiteren Post meiner Business-Serie.
Hast du auch eigene Erfahrung mit dem Pygmalion-Effekt? Kennst du weitere interessante psychologische Effekte? Dann teile sie mir gerne mit und wie immer würde ich mich über dein Feedback zu diesem Post sehr freuen.
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Über mich
Ich bin ein liebevoller Vater, Candourist, Stoiker, Agilist, Product Owner, Hauptmann der Reserve, Diplom-Kaufmann und ausgebilderter Verkehrspilot (ATPL-Credit).
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