Die Notlandung
Donnerstag, 22. Oktober 2020
Luftfahrt S1 • E3
Schönhagen
Die Beechcraft Baron (BE55) und ich...
Lesedauer: 5 Minuten
Leute, wie die Zeit vergeht! Heute vor zwölf Jahren hatte ich meine einzige, echte Notsituation als Pilot Flying in einem Luftfahrzeug und da ihr mir das Feedback gegeben habt, dass ich auch mal was über meine Pilotenausbildung schreiben solle, tue ich das heute mal. Aber was genau geschah in dieser Notsituation und warum war mein Fluglehrer hinterher echt stolz auf mich?Also machen wir doch mal wieder eine Zeitreise. Es war Mittwoch, der 22. Oktober 2008. Ein ganz besonderer Tag, denn ich brauchte nur noch 26 Minuten Flugzeit, um die 200 Flugstundenmarke und damit die Zulassung zum CPL-Prüfungsflug, also dem Prüfungsflug zum Berufspiloten zu erlangen.
Wir wollten mittags fliegen und Bischi, mein Fluglehrer, hatte nur noch ein paar Handling-Übungen wie das Heranfliegen an den Stall (Strömungsabriss) und einmotoriges Fliegen, sowie ein paar Go-Arounds als letzte Vorbereitung für die Prüfung in der kommenden Woche vorgesehen.
Easy peasy! Es sollte aber anders kommen. Gegen 13:20 Uhr rollte ich nun nach erfolgreichem Pre-Flight-Check und Runup der beiden 300 PS starken Triebwerke mit Bischi an meiner rechten Seite mit dieser schönen zweimotorigen Beechcraft Baron (BE55) in Schönhagen zur Piste 25 zum Start.
Dort angekommen legte ich nach der Startfreigabe vom Tower-Lotsen die Hebel auf den Tisch und die 600 PS schoben uns aufgrund der geringen Spritmenge in den Tanks ziemlich schnell bis zu Vr, der Rotationsgeschwindigkeit, von 83 Knoten IAS. Ich zog leicht am Steuerhorn und die BE55 hob um 13:26 Uhr ab. Positive climb, gear up. Soweit so gut...
Bischi wollte mich zunächst ein paar Go-Arounds üben lassen. Sollte der erste Lehrbuch-mäßig ausgeführt werden, ginge es dann in die Trainings-Area für Stalls und einmotoriges Fliegen.
Ich melde dem Tower und damit auch dem im Luftraum befindlichen anderen Luftfahrzeugen meine Intention und flog die vorgegebene Platzrunde, bis kurz vor dem Ende des Gegenanflugs ein Rettungshubschrauber seinen Überflug des Flughafens Schönhagen in südwestlicher Richtung ankündigte.
Ich hatte den Hubschrauber zusammen mit Bischi schnell in Sicht, meldete dies und einen verlängerten Gegen- und damit auch Endanflug, um dem priorisierten Rettungshubschrauber aus dem Weg zu gehen. Uncool, aber dafür übt man ja...
Als der Hubschrauber uns dann seitlich passiert hatte konfigurierte ich die BE55 für den Landeanflug, um dann links in den Quer- und letztlich Endanflug einzudrehen. Dabei kam es dann zu meiner ersten und auch letzten echten Ausnahmesituation als Pilot Flying.
Der erster Schritt für einen Landeanflug besteht im Ausfahren des Fahrwerks. Das baut Widerstand auf und leitet damit quasi schon den Sinkflug ein. Normalerweise lautet die Meldung dann Gear down, three green. Das heißt so viel wie Fahrwerk ausgefahren und alle drei Fahrwerksbeine sind verriegelt. Ich legte also den Fahrwerkshebel um, sagte Gear down und dann stockte ich kurz... Ich ergänzte Two green.
Shit! Bischi guckte ungläubig auf die Fahrwerksanzeige. Zwei grün. antwortete er. Ich meldete dem Tower den Abbruch des Landeanflugs, legte den Fahrwerkshebel wieder auf Up um und stieg wieder auf die Platzrundenhöhe.
Ich arbeitete die Emergency Checklist ab und besprach mich anschließend kurz mit Bischi über das weitere Vorgehen und so versuchten wir nun im Gegenanflug weitere zwei Male, das Fahrwerk auszufahren, erhielten aber jedes Mal nur zwei grüne Leuchtindikationen. Shit!
Im Anflug auf den Flughafen Schönhagen, südlich von Berlin.
Ungläubig fragte ich Bischi, ob wir den Tower-Lotsen nicht im Top Gun Style fragen könnten, mal dicht am Tower vorbeizufliegen und der schaut dann mal, was da mit dem Fahrwerk rein äußerlich wirklich ist. Bischi gab mir das Go und so funkte ich mein Anliegen an den Tower. Der willigte ein und so flog ich tief und dicht etwas rechts der Piste 25 mit zwei Grünindikatoren am Tower vorbei.Kurz nach dem Vorbeiflug meldete er dann, dass rein äußerlich mit dem Fahrwerk alles normal aussehe. Das waren ja schon mal gute Neuigkeiten. Besser so als nur halb ausgefahren...
Ich besprach mich abermals mit Bischi und schlug vor, zur Schadensminimierung im Worst Case Falle auf der parallel zu Piste 25 verlaufenden leeren Segelflieger-Graspiste zu landen. Sollte das Fahrwerk doch nachgeben, dann wäre es dort wahrscheinlich sicherer...
Er willigte ein und ich meldete unser weiteres Vorgehen an den Tower. Bischi und ich besprachen noch unser Handeln im Falle eines Crashes und schon fand ich mich selbst nun im Endanflug auf die Graspiste 25 mit dem unguten Gefühl im Bauch, dass es gleich unangenehm werden könnte. Es könnte mein letzter Anflug sein...
Ich flarete die BE55 maximal aus, bis um 13:56 Uhr kurz über dem Boden die Stall-Warnung ertönte und die BE55 sich auf ihr Fahrwerk setzte. Puuuh. Das Fahrwerk hielt! Es hatte sich entweder durch das Aufsetzen verriegelt oder war die ganze Zeit schon verriegelt.
Uns Beiden war das im Moment des Abfalls aller Last in dieser Ausnahmesituation aber so was von egal. Ich bremste vorsichtig bis zum Stillstand ab und als wir zum Stillstand kamen, kam vom Tower nur ein kurzes Sauber, Junge! Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich klatschnass geschwitzt war und mir dann plötzlich aufgrund des vielen Adrenalins mächtig die Hände flatterten...
Nach jedem Flug macht eine Flugbesatzung immer ein De-Briefing. So natürlich auch oder eben gerade in diesem Falle! Wir gingen dabei die ganze Misere anhand der Ereignisse, der Checkliste und unserer Handlungen noch mal Schritt für Schritt durch. Dabei gab es keinerlei negatives Feedback! Bischi war voll des Lobes angesichts meiner Airmanship und er sagte abschließend, dass er beim Touchdown nicht mal die Hände am Steuerhorn gehabt habe, weil er sich neben mir sicher fühlte. Was für ein Kompliment!
So endete der kurze letzte Trainingsflug zwar glücklich aber es war als Pilot Flying die schwerwiegendste Ausnahmesituation, vor die ich je gestellt wurde. Glücklicher Umstand neben der Tatsache heil davon gekommen zu sein, ich hatte 30 Flugminuten auf mein Stundenkonto hinzufügen können und damit auch rein bürokratisch die Zulassungskriterien für den CPL-Checkflug erreicht. Schade nur, dass aufgrund der Fahrwerksstörung nun wochenlang kein zweimotoriges Flugzeug für den Checkflug zur Verfügung stand!
Es brauchte viele Wochen, bis in der Werft der Fehler gefunden wurde. Das sollte noch massive aber aus heutiger Sicht vielleicht auch glückliche Auswirkungen auf meine angestrebte Karriere als Verkehrspilot haben. Dazu aber vielleicht mehr in einem weiteren Post.
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Über mich
Ich bin ein liebevoller Vater, Candourist, Stoiker, Agilist, Product Owner, Hauptmann der Reserve, Diplom-Kaufmann und ausgebilderter Verkehrspilot (ATPL-Credit).
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