Die Lampion-Stadt
Freitag, 01. Mai 2020
Việt Nam S7 • E5
Hội An
Die mit Lampions förmlich zugehangene Altstadt von Hội An.
Lesedauer: 4 Minuten
In meiner Zusammenfassung vom zweiten Wochenendausflug in Việt Nam hatte ich ja schon kurz angerissen, dass der eigentliche Hauptgrund für diesen Ausflug die Lampion-Stadt Hội An war.Um dem eigentlichen Trubel zu entgehen wählte ich bewusst eine Unterkunft am Cẩm An Beach. Das ist direkt am Strand und bietet damit gut fünf Kilometer von Hội An entfernt viel Ruhe und Erholung. Gleichzeitig kommt man aber mit einem Grab auch innerhalb von 10 Minuten ganz gemütlich ins Zentrum der 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannten Stadt.
Hội An wurde im 4. Jahrhundert von den Cham gegründet und hieß damals noch Lâm Ấp Phố (Champa-Stadt). Nach deren Rückzug gewann die Stadt Mitte des 17. Jahrhunderts unter dem Namen Hài Phố (Ort am Meer) wieder deutlich an Bedeutung und war dann sogar Teil der legendären „nassen“ Seidenstraße.
Mit zunehmender Versandung und letztlich der Ankunft der Kolonialmacht Frankreich ging es dann aber fast bis zur Bedeutungslosigkeit danieder. Das nur etwa 30 Kilometer nördlich gelegene Đà Nẵng gewann immer mehr an Bedeutung und wurde von den Franzosen letztlich sogar zur Hauptstadt der Provinz Annam bestimmt. Sogar die Eisenbahnverbindung nach Süden wurde an Hội An vorbeigebaut...
Einige Fertigungsbeispiele der lokalen Schneider.
Gleichzeitig bedeutete dieser Niedergang aber auch das Glück für Millionen an Touristen heutzutage, denn durch diesen Niedergang ist das historische Stadtbild erhalten geblieben und auch im Vietnamkrieg ist Hội An allem Anschein nach größtenteils verschont geblieben.Das Resultat ist eine ganz toll anzuschauende Altstadt, die zusätzlich mit tausenden, bei Dunkelheit sogar erleuchteten Lampions geschmückt ist. Das merkte ich schon bei der Ankunft in den äußeren Stadtteilen dieser 75.000 Einwohner-Stadt. Selbst dort waren bereits viele bunte Lampions aufgehängt und erleuchtet.
In der Altstadt angekommen gab es dann kein einziges Haus mehr ohne Lampions. Ein toller, fast schon märchenhafter Anblick. Die vom Verkehr befreiten ruhigen Gassen und Straßen waren gesäumt mit ein- bis zweistöckigen sehr alten, ein wenig chinesisch anmutenden Häusern. In diesen waren immer irgendwelche Läden. Sei es ein Restaurant, ein Lampion-Laden, ein Lederwarenladen, ein Touri-Nepp-Laden oder ein Modeladen mit eigenem Schneider.
Ja, richtig gelesen. Modeladen mit eigenem Schneider! Hội An ist auch bekannt für seine handwerklich sehr geschickten und guten Schneider. So legte mir mein AirBNB-Host Quynh auf ihrem handschriftlichen Empfehlungszettel auch eine Hand voll nachweislich guter Schneider nahe.
Der Foto-Hotspot von Hội An schlechthin. Darf hier natürlich auch nicht fehlen...
Als ich dann auf die Straße am Hafen kam, war ich endgültig von all den Lampions geflasht! Da lagen an beiden Uferseiten mindestens 100 Boote unterschiedlichster Größe, vom kleinsten Paddelboot bis hin zu Booten mit gut 30 Gästen und alle waren mit Lampions für eine romantische Fahrt auf dem Fluß Sông Thu Bồn geschmückt.Einige Damen verkauften auch kleine Papierboote mit Kerzen, sogenannte schwimmende Lichter. Diese eigentlich wirklich schön erleuchteten blumen- oder kronenartigen Boote wurden dann von den Touristen zu Wasser gelassen und trugen ebenfalls zum tollen Erscheinungsbild bei.
Dann dachte ich aber meinen Augen kaum zu glauben. Hinter einer Brücke und damit sehr wahrscheinlich außerhalb der Touristensichtweite, wurden diese schwimmenden Lichter wieder eingesammelt! Das Papier war Müll, die meist nur geringfügig abgebrannte Kerze wurde wiederverwendet. Ja, ja, gewusst wie...
Opfer eines ähnlichen Scams wurde ich am ersten Abend bezüglich meines Abendessens auch! Ich ging in ein für Cơm Gà (Hähnchenreis) empfohlenes Restaurant und das etwa 45 Minuten vor Ladenschluss. Ich bestellte und dann bekam ich direkt mit, wie die ältere Servicedame die Bestellung dem Koch übergab. Der schüttelte den Kopf und eine Diskussion entstand.
Die typischen Häuser in den Gassen von Hội An.
Letztlich bekam ich ein Essen, das bezüglich des wichtigsten Bestandteils, dem gelben Ingwerreis, deutlich von meinen Erwartungen abwich. Er war nicht gelb! Auf Nachfrage wurde mir versichert, dass das Essen auf meinem Teller das Original sei...Eine spätere Rückfrage bei meinem AirBNB-Host sowie ein weiterer Versuch in einem anderen Restaurant bestätigten meinen Eindruck dann. Wie sagte Quinh so schön Die hatten den Ingwer-Reis nicht mehr und haben dir einfach anderen Reis serviert. Das Gute an dieser Erfahrung?
Nun, einerseits wurde ich so auf ein anderes, wirklich spitzenmäßiges, lokales Restaurant aufmerksam gemacht, in dem man auch sehr viel schöner und vor allem unter Locals essen konnte. Und andererseits hatte ich zwar nicht das Original bekommen, war aber trotzdem Satt geworden und gut geschmeckt hatte es trotzdem.
Was die in Hội An durchaus als besonders zu bezeichnende lokale Kulinarik angeht, kann ich nur davon abraten, die üblichen und von Touristen überlaufenen Restaurants zu nutzen. Die Street Kitchens direkt am Fluss sind zum Beispiel nicht nur deutlich günstiger, sie sind das Original! Da es in Hội An wirklich so einige kulinarische Besonderheiten gibt, werde ich dem Thema in jedem Fall noch einen eigenen Post gönnen.
Der Drachenbrunnen der kantonesischen Versammlungshalle Hội quán Quảng Triệu.
Während meines Rundgangs am Samstagabend wurde ich dann direkt am Foto-Hotspot von Hội An schlecht hin auf etwas für mich höchst Seltsames aufmerksam. Da waren auf einem vielleicht 25 mal 12 Meter großem, dreiecksförmigen Platz Bambuspfahlbauten aufgestellt.In diesen Bambuspfahlbauten saßen Paare und kleine Grüppchen. An der Spitze des dreiecksförmigen Platzes standen nun eine traditionell chinesisch gekleidete Frau und ein ebenso gekleideter Mann. Sie sangen lautstark etwas, das ich nicht verstand. Gleichzeitig liefen sie immer wieder irgendwelche schmalen Tafeln mit chinesischer Inschrift hochhaltend an allen Bambuspfahlbauten vorbei.
Augenscheinlich konnte man dabei auch etwas gewinnen, denn hier und da kam in den Bambuspfahlbauten Freude und Jubel auf. Aber was war das nun? Ich schaute mir das hochinteressante Treiben eine ganze Weile an. Hatte aber aufgrund der Sprachbarriere keinen leisen Schimmer, was ich da sah. Quanh verriet mir am nächsten Morgen beim Frühstück auf Nachfrage, dass das eine ortstypische, traditionelle Variante des Bingos gewesen sei.
Jetzt habe ich bis hier hin nur über meinen Eindruck von Hội An bei Dunkelheit gesprochen. Aber auch bei Tageslicht hat die Stadt absolut ihren Reiz. Für meinen Geschmack sind dann der Hafenbereich vielleicht nicht mehr so ansehnlich. Dafür erkennt man in den Straßen und Gassen aber deutlich mehr Details dieser ganz besonderen Architektur.
Einige der typischen Hội An-Boote für die romantischen Lampionfahrten auf dem Sông Thu Bồn.
Bei meinem Tageslichtrundgang durfte natürlich auch ein Besuch der vielen Sehenswürdigkeiten nicht fehlen! Dazu kann man an unterschiedlichen um die Altstadt verteilten Verkaufsstellen ein Ticket kaufen, das einen dann für 120.000 Đồng und damit nicht mal 5 Euro berechtigt, fünf dieser zahlreichen Sehenswürdigkeiten zu besuchen.Die Sehenswürdigkeit Nummer eins in Hội An ist wohl für alle Touristen die japanische Brücke. Die ist wirklich ganz schick und in jedem Fall ein Foto-Hotspot und das nicht nur für Touristen, sondern auch im Falle von Hochzeiten für die Locals.
Dann sind da noch zahlreiche durchaus unterschiedlich gestaltete und wirklich sehr sehenswerte chinesische Versammlungshallen, in denen man auch gut eine Pause mit einer Entdeckungsreise verbinden kann.
Aber auch ein Blick in eines der sogenannten Old Houses lohnt sich absolut! Dabei handelt es sich um gut 300 Jahre alte und – wie in Việt Nam so typisch – sehr schmale und lange Häuser, die über eine komplett auf einem Holzgestell basierende Oberetage verfügen und meist auch einen kleinen aber sehr sehenswerten Innenhof haben. Selbst im Haus ein echter Ruhepol!
Eingang der sehr sehenswerten Versammlungshalle Hoi Quan Phuoc Kien.
Natürlich habe ich mir abseits der Eintrittskarte noch ein paar Tempel und Pagoden angeschaut. Auch das wieder sehr schön und empfehlenswert! Einzig Museen ließ ich gänzlich links liegen. Vielleicht ein Fehler... Aber das müsst ihr dann selber rausfinden.Und selbst bei Tageslicht machten die abertausende Lampions echt was her. Einfach ein sehr sehr romantisches Stadtbild.
Auch in Hội An lohnt sich wegen der Nähe zum Meer durchaus der Besuch des Marktes. Gerade der Umgang mit Fleisch, Fisch und Sea Food ist immer sehenswert! Und vielleicht kann man sich ja auch ein paar grüne Orangen kaufen und dann essen?!
Und wenn ich dann doch wieder einen kleinen Ausflug in Richtung Genuss mache, dann muss ich natürlich auch die Hội An Coffee Roastery empfehlen! Und bestellt euch nicht nur einen Cà phê sữa đá (vietnamesischer Eiskaffee), sondern gebt 150.000 Đồng und damit knapp 6 Euro für einen Vakuumkaffee aus! Ich garantiere euch, dass das schmeckt. Ist ja schließlich vietnamesischer Kaffee. Aber ich garantiere euch auch eine morzt Show und wow-Effekt! Lasst euch überraschen...
Ich hatte bei meinem Besuch aufgrund der beginnenden SARS-CoV-2-Pandemie echt Glück. Ich war im Vorwege darauf vorbereitet worden, dass Hội An gerade von chinesischen und südkoreanischen Touristen förmlich geflutet wird. Da diese Staatsbürger zum Teil schon Einreiseverbot hatten, war die Stadt zwar belebt aber nicht völlig überlaufen. Für mein Empfinden einfach nur perfekt!
Lampions wohin der Blick fällt. Auch an der Hoi An Coffee Roastery.
Bezüglich der vielen Händler scherzten wir sogar noch, dass ich mir vor der Abreise noch schnell ein T-Shirt mit dem Schriftzug No, thanks! oder besser noch Không, cảm ơn! auf der Brust machen lassen sollte, um es dann in den Gassen von Hội An zu tragen und mir so die angeblich lästigen Händler vom Leibe zu halten. Auch das blieb mir sogar ohne T-Shirt weitestgehend erspart.Aber auch wenn man in Việt Nam in einem für mein Empfinden sehr sehr sicheren Land unterwegs ist, so sollte man Vietnamesen trotzdem nicht durch einfach nur dummes Verhalten zum Diebstahl animieren! Ich war nachmittags in einer der vielen Gassen unterwegs. Und dann sah ich einen nicht touristisch aussehenden Mitmenschen auf einen verranzten Roller steigen, diesen starten und dann ordentlich am Gasgriff drehend wegfahren.
Soweit erst einmal nichts Ungewöhnliches! Kurz danach kamen aber drei sehr junge, deutschsprachige Touristinnen lauthals Stopp schreiend aus einem Klamottenladen gelaufen... Tja, ich ahnte, was gerade passiert war.
Ein anderer Tourist fragte auf Englisch Your scooter? Die Antwort war ja und wie ich dem weiteren Gespräch der Drei entnehmen konnte, hatte die ehemalige Besitzerin dieses Scooters wohl den Schlüssel stecken lassen.
Das Fotomotiv schlecht hin. Die japanische Brücke - Chùa Cầu Hội An Quảng Nam.
Ich will hier noch mal ganz deutlich sagen, dass man in Việt Nam in einem sehr sicheren Land reist und dabei viele viele tolle und sehr sehr freundliche Menschen kennenlernen kann! Würde man in Deutschland in einem Touristengebiet den Schlüssel in einem Roller stecken lassen, wäre die Wahrscheinlichkeit eines Diebstahls auch hoch! Man sagt nicht ohne Grund Gelegenheit macht Diebe.Nur hat der arme, durch Fehlverhalten animierte Mensch in Việt Nam für den Fall der Ergreifung sicherlich mit deutlich drakonischeren Strafen zu rechnen. Also passt bitte auf, was ihr macht!!Hội An ist definitiv eine Reise wert und das nicht nur wegen der wunderschönen, märchenhaften Altstadt, sondern auch aufgrund der speziellen lokalen Kulinarik und der möglichen Unternehmungen im Umland! Von meinem Besuch der alten Tempelstadt Mỹ Sơn habe ich schon berichtet. Auf Unternehmungen im Umland und die Kulinarik gehe ich in den nächsten Posts dieser siebten Việt Nam-Serie ein. Also schaut mal wieder rein, es wir noch besser!
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Über mich
Ich bin ein liebevoller Vater, Candourist, Stoiker, Agilist, Product Owner, Hauptmann der Reserve, Diplom-Kaufmann und ausgebilderter Verkehrspilot (ATPL-Credit).
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