Die Cham
Samstag, 25. April 2020
Việt Nam S7 • E4
Mỹ Sơn
Lesedauer: 4 Minuten
In meinem ersten Post der siebten Việt Nam-Serie hatte ich im Zuge meiner Zusammenfassung vom zweiten Wochenendausflug in Việt Nam ja schon kurz angerissen, dass mein erstes Abenteuer in der Umgebung von Hội An nach Mỹ Sơn gehen sollte. Aber was ist da überhaupt?Mỹ Sơn ist eine alte Tempelstadt, etwa 40 Kilometer westsüdwestlich von Hội An. Die Stätte liegt mitten im vietnamesischen Dschungel und wurde 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Wie der Name schöner Berg schon erahnen lässt, ist Mỹ Sơn wunderschön gelegen und von Bergen umgeben.
Die Tempelstadt war vom 4. bis zum 13. Jahrhundert das religiöse und kulturelle Zentrum der Cham und ihrem Champa Reich, das sich über Südvietnam und östliche Teile Kambodschas erstreckte. Die Kultur an sich war zunächst sehr stark hinduistisch und später auch buddhistisch beeinflusst.
In Mỹ Sơn selbst existieren jetzt noch etwa 70 Tempelbauten, die auch aufgrund des Vietnamkrieges unterschiedlich gut erhalten sind. Und genau diese Tempelanlagen zu erleben, ist auf so ziemlich jeder touristischen Sightseeing-Liste für Việt Nam enthalten. So natürlich auch auf meiner...
Der altertümlich wirkenden Kleinbus der Tour nach Mỹ Sơn.
Mein AirBNB-Host hatte mir bei meiner Ankunft am Abend zuvor freundlicher Weise eine Tour dort hin gebucht. Die Tour kostete mit 12$US nur ein Viertel der ansonsten im Internet von Hội An aus angebotenen Touren. Alle alternativen Touren sollten zeitlich genauso lange dauern, beinhalteten aber auch den Besuch irgendwelcher Märkte und Cafés. Das kannte ich ja schon...Da ich keinen Bock auf das Verplempern kostbarer Zeit hatte, ging ich mit der Buchung dieser Tour zwar ein Risiko ein. Bei einer Pleite wäre es aber zumindest finanziell verschmerzbar...
Nach einem köstlichen Frühstück mit frischen tropischen Früchten, einem frisch gepressten Passionsfruchtsaft, einem vitalisierenden Cà phê sữa đá (vietnamesischer Eiskaffee) und einer dampfenden, köstlichen Phở machte ich mich dann pünktlich um 8:00 Uhr auf den Weg zum Pickup-Punkt an der Hauptstrasse.
Ich hatte kaum das Gelände der Cashew Tree Bungalows verlassen, da kam mir auf dem knapp 200 Meter langen Weg zur Hauptstraße auch schon ein aufgeregt winkender und fragend Mỹ Sơn rufender Mann entgegen und trieb mich förmlich zum Pickup-Punkt.
Der erste Blick auf die Tempel der Cham.
Nach kurzer Wartezeit – der Bus musste drehen – bestieg ich diesen eher altertümlich wirkenden Kleinbus. Aber und manchmal kommt es ja nur auf Kleinigkeiten an, er be- und entschleunigte ordentlich und was mir auf den Straßen Việt Nams fast noch wichtiger war, sowohl die Hupe als auch die Klimaanlage funktionierten gut!So waren sowohl die Hin- als auch die Rückfahrt gesichert und zu allem Überfluss hatten wir auch noch einen Reiseführer, der brauchbar Englisch sprach und sich als echter Showman und Motivator entpuppte! Ein wirklich erfahrener Reiseführer.
Während wir wild huppend über enge Straßen rasten, eröffnete sich immer mal wieder der Blick auf Felder und immer näher kommende schöne Berge. Zur gleichen Zeit erzählte uns unser Tour Guide schon mal einiges über die Cham und die Tempelanlagen, die ja Hauptattraktion unseres Ausfluges sein sollten.
Als wir in Mỹ Sơn ankamen, konnte man am fast leeren Parkplatz bereits erahnen, dass die bereits vom Einreiseverbot betroffenen Chinesen und Südkoreaner ein ordentliches Loch in die vietnamesische Tourismusindustrie reißen. Aber und ich finde man darf sich auch mal über Vorteile freuen, so war das eigentliche Gelänge auch nicht so überlaufen!
Ein Altar (Linga oder Lingam) zur Herrstellung heiligen Wassers.
Unser Bus wurde clever abseits des eigentlichen Parkplatzes unter hohen Bäumen neben einem Café geparkt. Unser Reiseführer bat uns dann um 10 Minuten Geduld, die wir auch mit einem schönen Cà phê sữa đá oder einer eisgekühlten Coca Cola überbrücken könnten.Und nein, dies war keiner dieser bei den Alternativtouren genannten Stopps! Unser Reiseführer war einfach fürsorglich, denn er brauchte die Zeit, um unsere Eintrittskarten zu organisieren und uns so langes Herumstehen in der Sonne zu ersparen.
Dann ging es – irritierender Weise vorbei am Theater für die Tanzvorführung – direkt zu den Tempeln der Gruppen B, C und D. Wow, was für ein Anblick. Diese alten mehr oder weniger gut erhaltenen Tempelbauten mitten im Dschungel. Irgendwie erinnerte mich das alles stark an die Maya-Bauten in Chichén Itzá (Mexiko). Nur die Farbe der Steine war anders...
Unser Reiseführer gab uns grundsätzlich an jeder Tempelgruppe zunächst ein paar historische Hinweise und erklärte uns dann direkt am Objekt die notwendigen Details, die einem ohne Tour Guide sicher verborgen geblieben wären. Anschließend hatten wir dann immer so zwischen 10 und 15 Minuten Zeit, den Abschnitt noch alleine zu erkunden und Fotos zu machen.
Die inhaltlich unbekannten Schriften der Cham.
Und auch die Tatsache, das Theater mit seiner Tanzvorführung links liegen gelassen zu haben, war ein kluger Schachzug unseres Tour Guides, denn so blieben weitere vielleicht 100 Besucher etwa 20 Minuten hinter uns, so dass wir die Abschnitte nur mit einer weiteren Kleingruppe teilen mussten.Der Zustand der Tempel unterschied sich dabei stark. So konnten wir die Tempelgruppe A überhaupt nicht besichtigen, weil diese gerade restauriert und rekonstruiert wird. Aber auch ansonsten konnte man schön die schon vor Jahrzehnten vorgenommenen Restaurierungsmaßnahmen erkennen. Wie?
Nun, das Volk der Cham hat seine Tempel aus Backsteinen gebaut und keinen Mörtel sondern Baumharz verwendet. Sie haben die Steine damals ebenfalls mit Baumharz überzogen. Bei den Restaurierungsmaßnahmen vor Jahrzehnten sind zwar täuschend ähnliche Backsteine verwendet worden. Aber eben mit Mörtel und ohne Überzug. So konnte man alt von restauriert gut anhand des Mörtels und des Grünbelags erkennen.
Anders bei Tempelgruppe G. Dort waren am Haupttempel erst vor wenigen Jahren Restaurierungsmaßnahmen erfolgt und das streng nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und damit nah am Originalvorgehen. Ein Unterschied war nur schwer zu erkennen.
Beispiel eines maximal verfallenen Tempels.
Besonders interessant im Bereich dieser Tempelgruppe war allerdings ein mannsgroßer flacher Stein, der beidseitig Schriftzüge aufweist. Alles, was man über diese Schriftzüge weiß ist, dass man diese von rechts nach links lesen muss. Aber was dort geschrieben wurde, konnte bis heute nicht herausgefunden werden. Irgendwie krass...Im Bereich der Tempelgruppen E und F sah man dann nicht nur Bombenkrater aus dem Vietnamkrieg, sondern auch einen völlig verfallenen Tempel. Irgendwie trotzdem beeindruckend, denn viele der rekonstruierten Tempel werden genauso ausgesehen haben.
Nach gut zweieinhalb Stunden waren wir dann am Ende der wirklich eindrucksvollen und interessanten Führung angekommen und genossen abermals den rasanten Shuttle-Service mit größeren elektrisch betriebenen Golfwagen zurück zum Eingang des riesigen Areals.
Und so machten wir uns wieder auf den Rückweg und kamen gegen 16:00 Uhr mit reichlich Eindrücken im Gepäck an unserem gemeinschaftlichen Dropoff-Punkt in Hội An an. Ich habe weder bereut, eine vermeintliche Billigtour gebucht zu haben, noch das die Tour später als von mir eigentlich gewünscht in Mỹ Sơn begann. Letzteres aber wohl vor allem, weil eh kaum noch Touristen unterwegs waren.
Eines der spaßigen E-Shuttles.
Ich bin angesichts der verkehrsbezogenen Erlebnisse bei An- und Abreise auch sehr dankbar, dass mich meine vietnamesischen Kollegen von der zwischenzeitlich betrachteten eigenständigen An- und Abreise mit geliehenem Moped abgebracht haben.Die Straßen sind schmal und ich habe oft genug beobachten können, wie rücksichtslos sich die Fahrzeugführer der größeren Fahrzeuge gegenüber den schwächsten im vietnamesischen Straßenverkehr verhielten. Das hätte mir abgesehen von der Gefahr sicherlich auch keinerlei Spaß gemacht.
Da ich nun ja eh schon in Hội An war, ging es für mich direkt auf die erste Besichtigungstour durch diese wunderschöne Lampionstadt bei Tageslicht. Zu meinen Eindrücken und zahlreichen Erlebnissen dort aber mehr im nächsten Post dieser siebten Việt Nam-Serie...
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Über mich
Ich bin ein liebevoller Vater, Candourist, Stoiker, Agilist, Product Owner, Hauptmann der Reserve, Diplom-Kaufmann und ausgebilderter Verkehrspilot (ATPL-Credit).
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Abgesehen von Mỹ Sơn gibt es über Südvietnam verteilt noch zahlreiche Orte, an denen einzelne und teilweise auch noch sehr gut erhaltene Cham-Bauten stehen. Als eindrucksvoll zu nennen wären da beispielsweise Tháp Bà PoNagar, Tháp Khương Mỹ oder Tháp Dương Long. Eine Auflistung findet sich bei Wikipedia.