Das ländliche Việt Nam
Freitag, 13. Dezember 2019
Việt Nam S5 • E5
Hà Nội
Fischerin beim Auslege von mit Chilliöl benetzten Fischfiltes für die Trocknung in der Sonne.
Lesedauer: 4 Minuten
Wie sieht eigentlich das ländliche Việt Nam aus? Ich habe davon bisher ja nicht so viel mitbekommen (können). Lediglich auf meinem Weg von Hồ-Chí-Minh-City nach Vũng Tàu bekam ich ja mal ein bisschen was vom ländlichen Vietnam mit.Jetzt wollte ich ja im Zuge meines Wochenendausflugs nach Hà Nội auch das UNESCO-Weltkulturerbe Hạ Long Bucht besuchen. Dafür setzte ich mich morgens um 7:00 Uhr in einen Kleinbus und tuckerte erst mal durch die vielen schmalen Gassen der Old Quarters, bis wir alle Gäste an Bord hatten.
Kaum hatten wir die Brücke über den sehr breiten roten Fluss überquert wurde es recht schnell sehr ländlich. Wir benutzten den nagelneuen Expressway, der meistens wie auf einem Damm etwas erhöht gebaut war und mir so während der zweistündigen Busfahrt einen tollen Blick über das Land bot.
Das erste, was ich dort zu sehen bekam, waren viele größere Teiche, in denen anscheinend die Nationalblume Việt Nams, die Lotusblume angebaut wurde. Dabei sind diese Teiche dann wirklich auch schön anzusehen, wenn sie in diesem leuchtenden Rosa der Blüten der Blume der Morgenröte erstrahlen.
Reisfelder so weit das Auge reicht und das sogar inklusive Erntemaschine.
Nach vielleicht zehn Minuten änderte sich das Bild dann. Reis- und Bananenfelder wechselten sich munter ab. Dabei waren viele Reisfelder bereits abgeerntet. Aber ich hatte das Glück, nicht nur ungeerntete Felder zu Gesicht zu bekommen. Nein ich hatte sogar das Glück, immer wieder die Reisernte live beobachten zu können.Jetzt hatte ich dabei immer an Menschen mit diesem typischen vietnamesischen Strohhut gedacht, die knöcheltief im Wasser stehen und munter den Reis schneiden. Wieder so ein typisches Klischee, dass sich nicht bestätigte. Ich sah jetzt nicht hochmodernes Erntegerät. Aber ich sah immerhin motorisierte Erntemaschinen, die von nur einem Bauer bedient wurden.
Je näher wir Hai Phong, der zweitgrößten Hafenstadt Việt Nams und damit dem Cấm River kamen, desto mehr Teiche bekam ich zu sehen. Was genau darin kultiviert wird, konnte ich nicht sehen. Ich vermute aber stark, das neben Fisch dort auch die auf vietnamesischen Speisekarten häufig vorkommenden Schnecken, Krebse und Garnelen gezüchtet werden.
Ein typischer Fischteich am Straßenrand mit den ärmlichen Wohnhütten der Besitzer.
Eines war auf jeden Fall auffällig. Jeder dieser Teiche hatte eine mehr oder weniger dürftige bzw. einfache Bretterhütte, die sehr nach der dauerhaften Unterkunft der Besitzer aussahen. An einem dieser Häuser konnte ich sehen, wie der Mann auf seinem Bett lag, während auf einem Gaskocher ein Teekessel stand. Der Mann sah ziemlich schlecht gekleidet und dreckig aus. Ist das das wahre vietnamesische Landleben?Ich wage mal zu behaupten, nein! Auf der gesamten Wegstrecke fuhren wir immer wieder an Dörfern vorbei, deren mehrstöckige Häuser wirklich gut gepflegt aussahen und sich technisch auch auf einem, zumindest für mich, hohen Stand befanden. So hatten viele Häuser nicht nur die obligatorische Satellitenschüssel auf den Dach. Nein es gab sogar Dächer mit Solaranlagen!
Als wir dann aber am Cấm River ankamen, bekam etwas anderes, wovon ich im Vorwege gehört hatte, bildlichen Beweis... Ich hatte im Vorwege von Fischern gehört, die ihr Leben lang auf einem Stelzenhaus in Flussmündungen oder aber auf schwimmenden Häusern oder sogar nur kleinen Booten auf dem Meer leben.
Stelzenhäuser der Fischer im Delta des Cấm River.
Da waren diese Stelzenhäuser, von denen aus größere Flachnetze ins Wasser gelassen und wieder heraufgeholt werden konnten und diese Stelzenhäuser standen hunderte Meter vom Ufer entfernt. Kein Boot, nichts!Auch gab es einfache uralt aussehenden Boote, die mit geworfenem Anker im Fluss festgemacht hatten und ein riesiges dreieckiges Netz der Flussrichtung entgegenstreckten. Kaum zu glauben, dass es so was im 21. Jahrhundert noch gibt und den Besitzern und ihrer Familie ein Überleben ermöglicht.
Als wir dann in Cát Hải, dem Ausgangshafen unserer Tageskreuzfahrt, ankamen, bot sich mir ein Bild, wie es klischeehafter kaum sein konnte. Eine alte Frau mit vietnamesischen Strohhut war gerade dabei, mit Chilli und Öl eingeriebene kleine Fischfilets sorgsame auf einem sehr feinmaschigen Drahtgitter zum Trocknen auszulegen.
Auf dem Rückweg unserer Tageskreuzfahrt in die Hạ Long Bucht bekam ich dann bis zum Sonnenuntergang noch die andere Seite des Expressways zu sehen. Und ich konnte meinen Augen kaum glauben. Da waren riesige mit dicker schwarzer Folie ausgelegte Teiche, in denen ganz eindeutig Garnelen gezüchtet wurden und zwar hoch kommerziell!
Fischerboot mit ihren traditionellen Dreiecknetzen im Delta des Cấm River.
Hatte ich bis dato beim Verspeisen der Tiger Prawns noch gedacht, die seien wirklich im Meer gefangen, so musste ich meine eigene Naivität feststellen und sehe diese eigentlich ganz leckeren Dinger auf den Tellern der vielen Sea Food Restaurants nun etwas unentspannter.Naja, insgesamt habe ich mal einen kleinen und ganz anderen Einblick in das alltägliche Leben der Vietnamesen in den eher ländlichen Regionen bekommen und musste auch dort feststellen, dass die Schere zwischen wohlhabend und bettelarm doch sehr weit aufgespannt zu sein scheint.
Das echte vietnamesische Landleben habe ich nun immer noch nicht wirklich kennengelernt. Aber das kann sich ja bei einem der nächsten Wochenendausflüge vielleicht ändern. Im nächsten Post dieser Serie berichte ich euch jedenfalls erst einmal von meiner Tageskreuzfahrt zum UNSECO-Weltkulturerbe Hạ Long Bucht...
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