Darf man darüber lachen?
Dienstag, 07. Mai 2019
Kino S1 • E11
Lüneburg
Lesedauer: 4 Minuten
Letzten Dienstag hatte mal wieder das Vergnügen von Denise ganz spontan entführt zu werden. Sie hatte mitbekommen, dass meine Stimmung aufgrund etlicher Hiobsbotschaften in meinem Arbeitsumfeld selbst in der Freizeit „etwas“ getrübt war und stand deshalb abends überraschend vor meiner Tür und packte mich mit einem für mich unbekannten Ziel ins Auto.Naja, spätestens wenn man auf der B404 in Richtung Süden abbiegt, ist schon mal klar, dass es wohl sehr wahrscheinlich nach Lüneburg gehen dürfte. So war es dann auch. Aber was würden wir unternehmen?
Auf dem letzten Stück in Lüneburg ließ Denise dann die Katze aus dem Sack. Wir gehen ins Kino und ich bin mir sicher, dass du dich schlapp lachen wirst! Na, das war ja mal eine Aussage!
Da man im Scala ohne Karte immer so schlecht sehen kann, welcher Film im welchem Saal läuft, war mir selbst zum Start der Filmvorführung nicht klar, was ich sehen würde. Der Film begann und ein junger Mann, der wohl irgendwie im Finanzsektor beratend tätig ist, sitzt in seinem Maserati und kommt aufgrund eines Ferienstaus auf seiner Strecke offensichtlich zu spät zu einem wichtigen Termin. Ok, ein deutscher Film. Aber welcher? Der Hauptdarsteller war mir völlig unbekannt! Na, wenn Denise mal Recht behält...
Der Portfolio-Manager trifft eine fatale Entscheidung, zieht links raus und rast mit irrsinnigem Tempo an der Schlange vorbei, bis Gegenverkehr kommt, er in letzter Sekunde einschert, dabei die Hinterachse seines Autos an einer Verkehrsinsel ausgehoben wird und er sich mehrfach mit dem Fahrzeug überschlägt. Schwarze Leinwand...
Er wird dann im Krankenhaus wach und man stellt als Zuschauer fest, dass er eine Querschnittslähmung davongetragen hat. Als er dann in die Reha geht, wird er darüber informiert, dass die Steuerfahndung auf seine Schließfächer in der Schweiz aufmerksam geworden ist, in denen er 1,2 Millionen Euro an Schwarzgeld deponiert hat. Das Geld muss natürlich raus aus den Schließfächern! Aber wie bekommt er das über die Grenze geschmuggelt?
Eine berechtigte Frage, sitzt er doch im Rollstuhl und ist dadurch auch nur eingeschränkt eigenständig handlungsfähig... Er schmiedet einen perfiden Plan, in dem die behinderten Mitglieder einer betreuten Wohngruppe, die er in seiner Reha kennengelernt hat, die entscheidende Rolle spielen.
Eine turbulente, immer wieder auch überraschende aber vor allem schreiend komische Geschichte entwickelt sich, deren Ende ich hier natürlich nicht spoilern will. Aber hatte Denise nun den Mund zu voll genommen?
Nein, absolut nicht. Aufgrund des Kinotages war der Saal voll und alle Gäste haben sich schon fast bepisst vor Lachen! Axel Stein, vielen sicherlich aus dem Fernsehen und dem Klamauk-Kino bekannt, spielt beispielsweise einen Autisten und das auf eine so geile lustige aber auch respektvolle Art und Weise. Ich sage nur Mach ma so, hamma kein Stress!
Dann ist da eine Blinde, die ihre Sehbehinderung für ihren Alkoholismus schonungslos ausnutzt und auch sonst mit ihrem Zynismus, durch gute Sprüche und ungeahnte Fähigkeiten zu überzeugen weiß.
Dann ist da ein fetter verwarzt daherkommender Pfleger, der bei der Betreuung der Wohngruppe durch eine frische Studiumsabsolventin der Sozialpädagogik „unterstützt“ wird, wodurch natürlich die erfahrungslose aber über die Maße selbstbewusste Naivität der Theorie auf die schonungslose Realität stößt. Also eine gute Mischung, die viele Optionen für eine Komödie bietet.
Beim Verlassen des Kinos war meine Stimmung sichtlich aufgehellt und wir lachten wiederholt über die eine oder andere Szene. Dabei kam in mir aber irgendwie auch die Frage hoch Darf man über Menschen mit Behinderung lachen? Habe ich das gerade überhaupt getan?
Nun, meiner Meinung nach schafft dieser Film etwas Bedeutsames. Er erzählt eine Geschichte, in der Charaktere mit Behinderung Hauptrollen spielen und ja natürlich werden die unterschiedlichen Behinderungen auch zum Erzählen der Geschichte genutzt. Mir ist im Nachhinein aber die Tatsache aufgefallen, dass man nicht über die Behinderungen oder die Menschen mit Behinderung, sondern über die in ihrem Leben entstehenden Ereignisse lacht. Und dieses Leben stellt der Film auf eine lustige aber eben auch liebevolle und respektvolle Art und Weise dar, ohne dabei die Charaktere oder gar ihre Behinderung ins Lächerliche zu ziehen! Man darf beim Betrachten dieses Filmes meiner Meinung nach also ohne schlechtes Gewissen lachen...
Unterm Strich ein toller Film, den ich Jedem zum nur mal so Ablachen wärmstens empfehlen kann! Diese Woche schaue ich dann mit einem Arbeitskollegen noch den Film Anderso. Allein in Afrika an. Dazu dann aber in einem neuen Post mehr!
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