5 Biases, die eine Führungskraft kennen sollte

Donnerstag, 22. August 2024
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Quelle: Jr Korpa auf Unsplash

Lesedauer: 6 Minuten

Ich erinnere mich noch gut an den Anfang meiner Führungslaufbahn als Offiziersanwärter der Bundeswehr, als ich die ersten Male an den Beurteilungen der mir unterstellten Kameraden beteiligt war oder ich sogar Vernehmungen als Vertretung des Disziplinarvorgesetzten durchführen musste.

Da überdeckten negative wie auch positive, kürzlich erst gezeigte Leistungen oder Handlungen die Gesamtleistung bzw. das Gesamterscheinungsbild des entsprechenden Kameraden und hätten sehr gut die Gesamtbeurteilung in die eine oder andere Richtung unfair verändern können.

Diesem Effekt liegt ein sogenanntes Bias zugrunde und wir alle unterliegen bei mangelnder Selbstwahrnehmung diesen Biases.

Biases können einen massiven Einfluss auf die Beurteilung von Leistungen oder Handlungen haben. In diesem Beitrag möchte ich dir daher fünf Biases vorstellen, die du als Führungskraft in der freien Wirtschaft in jedem Falle (er)kennen solltest, um zumindest zu versuchen, deine Bewertungen und Beurteilungen gerechter zu erarbeiten.


Wie ich schon schrieb trägt jeder von uns Biases in sich. Diese unbewussten Vorurteile oder Voreingenommenheiten sind tief in den Prozessen unseres Gehirns verwurzelt und basierend auf automatischen Denkmustern und kognitiven Verarbeitungsmechanismen. Sie bilden quasi Abkürzungen, die unser Gehirn nutzt, um die Fülle an Informationen effizient zu verarbeiten.

Es ist uns allen bekannt, wie wichtig Leistungsbeurteilungen für die Entwicklung von Teams sind. Bevor wir uns jedoch in den Bewertungsprozess stürzen, ist es wichtig, uns der eigenen Biases bewusst zu werden und so vielleicht Verfahren und Methoden zu finden, die ihren Effekt mindestens mal verringern.

Nachfolgend stelle ich dir jetzt die aus meiner Sicht fünf einflussreichsten Biases vor, die jede Führungskraft (er)kennen sollte, um fairere und objektivere Leistungsbeurteilungen gewährleisten zu können.


1. Der Serial-Position-Bias

Der Serial-Position-Bias bezieht sich auf eine Tendenz eines jedes Menschen. Der Mensch kann sich nämlich besser an Elemente erinnern, die am Anfang oder am Ende einer Liste stehen, als an Elementen in der Mitte der entsprechenden Liste. Dieses Phänomen basiert auf dem in der Psychologie beschriebenen Primacy-Recency-Effekt.

Zum Primacy-Recency-Effekt habe ich schon mal einen expliziten Beitrag geschrieben und gehe daher hier nicht näher darauf ein. Möchtest du mehr darüber wissen, dann ließ gerne den verlinkten Beitrag.

Anhand der Kurzbeschreibung kannst du aber sicher schon den Zusammenhang dieses Biases mit jeglicher Art der Beurteilung oder Bewertung erkennen und welche Gefahr sich dahinter verbirgt.


2. Das Halo- und Horn-Effekt-Bias

Das Halo- und Horn-Effekt-Bias bezieht sich auf die Neigung, eine Person aufgrund einer herausragenden Eigenschaft positiv oder negativ zu bewerten, ohne andere Aspekte angemessen zu berücksichtigen.

Auch zum Halo- und Horn-Effekt habe ich schon mal einen expliziten Beitrag geschrieben und gehe daher hier nicht näher darauf ein. Möchtest du mehr darüber wissen, dann ließ gerne den verlinkten Beitrag.

Aber auch hier wirst du anhand der Kurzbeschreibung schon erkennen, welch massiven Einfluss dieses Bias auf eine Bewertung oder Beurteilung haben kann.


3. Das Ähnlichkeits-Bias

Das Ähnlichkeits-Bias bezieht sich auf die Tendenz, uns ähnliche Personen positiver zu bewerten, ihre Beiträge zu überschätzen und sie eher zu (be)fördern.

Interessanter Weise ist dieses Bias in Deutschland sogar 2017 in einer Studie der deutsch-schwedische AllBright-Stiftung statistisch nachweisbar, weil es sich auf die Ernennung von Vorstandsmitgliedern in deutschen Unternehmen ausgewirkt hat und allgemein mit dem Namen des Thomas-Kreislaufes beschrieben wird.

Ja unglaublich aber wahr. Zum Zeitpunkt der Beschreibung des Kreislaufes hieß tatsächlich eine Mehrheit von Vorständen Thomas und führten so zur Namensgebung!

Der Thomas-Kreislauf beschreibt dabei, dass Führungskräfte am liebsten Menschen (be)fördern, die genauso sind wie sie selbst. Bspw. männlich, Mitte 50, Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieur und in Westdeutschland geboren. So kommt es dann zur Reproduktion der immer gleichen Führungsmannschaften und den damit zwangsläufig einhergehenden Problemen.

Ich selbst habe an einem meiner vorherigen Arbeitsplätze genau das beobachten dürfen. Da wurden Mitarbeiter ge- bzw. befördert, die weder die charakterlichen Eigenschaften, noch die fachliche Kompetenz, noch die notwendige Handlungssicherheit zur Ausübung der zu vergebenen Position oder Rolle hatten.

Das eigentlich traurige oder beschämende war aber, welche Effekte dies auf die zugehörigen Mitarbeiter hatte. Diese Effekte konnten die Verantwortlichen aber aufgrund eines weiteren, als nächstes von mir beschriebenen Biases nicht sehen…


4. Das Bestätigungs-Bias

Das Bestätigungs-Bias ist eine kognitive Verzerrung, bei der Menschen dazu neigen, Informationen zu bevorzugen, die ihre vorhandenen Überzeugungen, Meinungen oder Hypothesen bestätigen, während sie Informationen ignorieren oder ablehnen, die diesen widersprechen.

Diese Verzerrung kann dazu führen, dass Menschen in einer Art Filterblase leben, in der sie nur Informationen auswählen, die ihre bestehenden Ansichten stützen, und mögliche Gegenargumente oder alternative Perspektiven ignorieren.

Das Bestätigungs-Bias kann zu einer Verstärkung von Vorurteilen, Stereotypen und Fehlurteilen führen und die Fähigkeit zur objektiven Beurteilung von Informationen beeinträchtigen.

Es ist wichtig, sich dieser Verzerrung bewusst zu sein und bewusst nach Informationen zu suchen, die sowohl bestätigen als auch widerlegen können, um eine ausgewogenere Sichtweise zu erhalten.


5. Das Kontrast-Bias

Das Kontrast-Bias ist ebenfalls eine kognitive Verzerrung. Bei dieser Verzerrung neigen Menschen dazu, Leistungen, Ergebnisse oder Ereignisse im Vergleich zu einem vorherigen oder ähnlichen Kontext anders wahrzunehmen.

Wenn zwei oder mehr Leistungen, Ergebnisse oder Ereignisse nacheinander betrachtet werden, kann die Wahrnehmung der zweiten Leistung, Ergebnisses oder Ereignisses durch die vorherige Erfahrung mit der ersten Leistung, Ergebnisses oder Ereignisses verzerrt werden.

Zum Beispiel kann ein Objekt größer erscheinen, wenn es direkt nach einem kleineren Objekt betrachtet wird. Eine Temperatur kann als wärmer empfunden werden, wenn sie im Vergleich zu einer zuvor erlebten kalten Temperatur betrachtet wird.

Der Kontrast-Bias kann dazu führen, dass Menschen ihre Wahrnehmung und Beurteilung von Objekten oder Ereignissen aufgrund ihres relativen Kontextes verändern, anstatt sie objektiv zu bewerten.

Eine Führungskraft rennt hier häufig in die Falle, wenn sie Leistungen oder Arbeitsergebnisse relativ zu anderen bewertet, anstatt sie objektiv auf Basis der Anforderungen zu betrachten.


Indem du dir deine Biases bewusst machst und aktiv dagegen vorgehst, kannst du schonmal versuchen, dass deine Leistungsbeurteilungen gerechter werden. ABER wir sind alle nur Menschen und solche Biases zu erkennen und das vor allem an sich selbst erfordert halt ein extrem hohes Maß an Selbstwahrnehmung und Reflexion. Ein Maß, das kaum jemand sein Eigen nennen kann.

Aus meiner Sicht ist es zwar extrem wichtig, dass die meist schlecht (aus)gebildeten Führungskräfte der heutigen Zeit diese Biases kennen. Da diese aber zu fast 100% auch nicht über das entsprechend notwendige Maß an Selbstwahrnehmung und Reflexion verfügen, sollte man vielleicht doch auf nicht grundlos existierende Verfahren und Methoden zurückgreifen, die ich in meinem Beitrag Biases und wie Führungskräfte diese umgehen können geteilt habe.


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